Am 24.11.2017 habe ich das 1. Norddeutsche ScrumMaster-Gathering in Hannover besucht. Das ScrumMaster-Gathering ist eine Unkonferenz im Open-Space-Format.
Teilnehmer
Es gab ca. 30 Teilnehmer, was für eine Erstauflage ordentlich ist. Anwesend waren nicht nur ScrumMaster, sondern auch einige Agile Coaches und andere, die sich im agilen Kontext bewegen oder zukünftig bewegen wollen. Auffällig war für mich, dass zunehmend Mitarbeiter größerer Unternehmen und Konzerne auf solchen Events anzutreffen sind. Auch die Zahl von Vertretern der Versicherungs- und Bankenbranche nimmt gefühlt zu.
Agenda
Thematisch war die Agenda gut gemischt. Auch hier viel auf, dass viele Pain Points großer bzw. vom klassischen Management geprägten Unternehmen auftauchten, wie beispielsweise „Agile at Scale”, „Agilität vs. individuelle Mitarbeiterziele” und „Agile einführen”. Ich konzentrierte mich auf die Themen:
- Wie nähert man sich dem Thema Agilität?
- Agile Werte (mit der Frage, wie sich daraus ein Workshop entwickeln lässt)
- Zusammenarbeit zwischen ScrumMaster und Personalverantwortlichen
Thema: Wie nähert man sich dem Thema Agilität?
Hier tummelten sich mehrere Grundfragen. Wie lässt sich das Thema Agilität den Mitarbeitern vermitteln? Hier waren wir uns einig, dass zunächst der Zweck und Nutzen von Agilität klar sein muss. Dem sollte die aktuellen Vorgehensweisen und die daraus resultierende Kultur möglichst gut visualisiert gegenübergestellt werden. Wie lässt sich auf „agil” umstellen? Entweder über eine Hybrid-Struktur aus klassisch und agil, bei der der agile Anteil sukzessive hochgefahren wird. Oder ad hoc durch die Änderung der Unternehmens-Architektur à la Pfirsich-Modell Niels Pfläging.
Was mir bei Diskussionen auf solchen Konferenzen missfällt ist der laxe Umgang mit unscharfen Begriffen wir „Agilität”, „Scrum”, „ScrumMaster”, „Product Owner” usw. Jeder Diskussionsteilnehmer hat hier seine eigenen Bilder, die sich auf Nachfrage teilweise stark voneinander unterscheiden. Auch scheint nicht immer jedem klar zu sein, für welche Umgebungen Frameworks wie Scrum nützlich sind. Manchmal wird davon gesprochen, „Scrum im gesamten Unternehmen einzuführen”, was dann zu starken Konflikten führt. Es wird kaum über Systeme und die Erfordernisse des Kontexts, in dem sie sich bewegen, gesprochen. Stattdessen wollen die Teilnehmer möglichst viele neue „Methoden”, „Best Practices” und „Tools” mitnehmen. Vielleicht reicht für tiefere Diskussionen auch nicht die Zeit.
Auch wird oft beklagt, dass die „normalen” Mitarbeiter ihr „Mindset” geändert bekommen müssen, bevor mit Agile durchgestartet werden kann. Ein wenig wie Gehirnwäsche. Aber ist das Mindset nicht erst das Resultat von einem Lernprozess, der aus der Arbeit mit den Vorgehensweisen entsteht und muss deshalb garnicht im Fokus stehen? Die Mitarbeiter sind ja auch nicht mit ihrer aktuellen geistigen Haltung geboren worden, sondern haben sich (vermutich auch ohne große PR-Kampagnen) an die Umstände angepasst. Wer sagt, dass sie es nicht wieder tun werden?
Thema: Agile Werte
Dem Initiator des Themas ging es grundsätzlich darum, einen Workshop zum Thema „agile Werte” zu gestalten. Gemeint waren die Werte aus dem Agilen Manifest und aus dem Scrum-Guide. Die Absicht dabei ist wohl, den Mitarbeitern das Fundament von von Agile zu vermitteln, das auf bestimmten Werten beruht, wie die Scrum-Werte „Selbstverpflichtung”, „Mut”, „Fokus” und „Offenheit”. Workshops zu diesem Thema zu machen finde ich schwierig. In meinen eigenen Scrum-Workshops gehe ich ebenfalls auf die Werte ein und begründe es damit, dass sie viele Fragen zum Thema Scrum mit diesen beantwortet werden können. Was mich bei den Scrum-Werten stört ist, dass sie sich als absolut darstellen, keine Abgrenzungen bieten bzw. nur schwer konkrete Handlungsoptionen ableiten lassen. Ich vermisse hier eine Unterscheidung bzw. Gewichtung, wie es das Agile Manifest macht:
Through this work we have come to value:
- Individuals and interactions over processes and tools
- Individuals and interactions over processes and tools
- Working software over comprehensive documentation
- Customer collaboration over contract negotiation
- Responding to change over following a plan
That is, while there is value in the items on the right, we value the items on the left more.
Ich wünschte mir hier so etwas wie:
…we have come to value:
- Commitment over…
- Courage over …
- Focus over …
- Openness over …
Vielleicht Stoff für einen zukünftigen Artikel :-)
Thema: Zusammenarbeit zwischen ScrumMaster und Personalverantwortlichen
Ein spannendes Thema, was uns auch immer wieder bei plentymarkets beschäftigt. Wir haben uns gegenseitig unterschiedliche Modelle vorgestellt, die ich teilweise stark voneinander unterschieden. In großen Unternehmen und Konzernen herrscht ein hierarischer Dschungel. In kleinen und mittleren Unternehmen haben beispielsweise Scrum-Teams fast immer einen Teamleiter oder „agilen Projektleiter” – was immer das im Einzelfall bedeutet.
Ich frage mich aktuell, warum es überhaut den Personalverantwortlichen geben muss. Für mich ist „Personalverantwortlickeit” ein Set von Aufgaben und Arbeitsergebnissen, die von der Organisation für bestimmte Zwecke gefordert werden. Dabei habe ich ca. 12 Bausteine entdeckt, die sich meiner Meinung nach auf Rollen verteilen lassen und von Mitarbeitern innerhalb und außerhalb des Teams übernommen werden können.
Fazit
Das alles klingt jetzt irgendwie negativer, als es tatsächlich war. Tatsächlich konnte ich einige neue Impulse mitnehmen. Am wertvollsten war für mich die Gelegenheit zur Reflexion über meine aktuellen Interventionen und Projekte. Auch habe ich ein paar neue Gesichter aus der Agile Community Hannover und der Region kennengelernt, welche bisher ein blinder Fleck für mich war. Im nächsten Jahr werde ich mich sicher einmal beim Agile Wednesday Hannover blicken lassen.
Die Organisation des Events war tadellos, die Location bei tecRacer sehr angenehm und die von Arvato E-Commerce gesponsorte Verpflegung tadellos.
Ich komme also gerne wieder und bringe sicher noch jemanden mit!
Impressionen sind unter #1smgh zu finden.