Die diesjährige Spartakiade in Berlin war ein gelungenes Event. Gefühlt reibungslose Organisation, angenehme Teilnehmer und Teilnehmerzahl. Viele und abwechslungsreiche Workshops. Und – da hat sich das Schwärmen von Matthias Seul bewahrheitet – sehr gutes, reichliches und abwechslungsreiches Essen und Getränke. Laut Torsten Weber, einer der Organisatoren, einer der wichtigsten Eigenschaften der Spartakiade und vergleichbarer Events. Denn Essen und Trinken hält schließlich Leib und Seele zusammen und stärkt während der intensiven Workshops die „Truppenmoral”. Auch die Location war mit der Immobilien Scout GmbH gut gewählt. Gut aufgeteilte Räumlichkeiten und abwechslungsreiche Rückzugsmöglichkeiten.
Was vorher geschah
Ich bin eher zufällig zur Spartakiade geraten. Matthias hatte sich ursprünglich für zwei Workshops am Samstag und Sonntag zur Verfügung gestellt. Matthias ist immer viel unterwegs. Durch eine Änderung in seinem Terminkalender konnte er leider nur noch den Workshop am Samstag durchführen. Kurzerhand meldete sich Matthias mit der Frage bei mir, ob ich den Workshop am Sonntag nicht übernehmen könne – nicht ohne mich mit den guten Rahmenbedingungen der Spartakiade in Verführung zu bringen.
Für den Samstag hatte Matthias einen ganztägigen Workshop zum Thema LEGO Serious Play vorgesehen. Für den Sonntag war ein Workshop geplant, der neben einer erneuten Einführung in das Thema LEGO Serious Play auch einige Agile Games mit LEGO enthalten sollte. In meinem Terminkalender sprach nichts dagegen, den Workshop am Sonntag zu übernehmen. Gleichzeitig nehme ich gern jede Gelegenheit wahr, meine Fähigkeiten als Trainer und Facilitator zu verbessen. Also sagte ich direkt zu.
Matthias und ich trafen uns wenige Tage vorher, um noch ein paar Dinge durchzugehen. Die drei Agile Games LEGO Minimum Viable Product (MVP) Game, LEGO Product Owner Challenge und LEGO Walking Skeleton Game hatte ich bereits als Teilnehmer erlebt. Ebenso eine Grundeinführung zum Thema LEGO Serious Play durch Matthias. Doch letzteres hat eine gewisse Tiefe, insbesondere was Ablauf und Facilitation angeht, sodass ich mir vor allem hier noch eine Menge Input von Matthias abholen konnte. Matthias ist Certified LEGO Serious Play Facilitator.
Nach der Anreise Freitag Abend fielen wir nur noch geschafft ins Bett, um fit für den nächsten Tag zu sein. Matthias hatte eine längere Anreise und Termine hinter sich. Ich selbst hatte am selben Tag auf dem plentymarkets Online-Händler-Kongress in Kassel einen Vortrag zum Thema „Schneller zum richtigen Produkt durch Kundenfeedback” gehalten und war von dort direkt nach Berlin gekommen. Das Get-together der Trainer in der Volkskammer, das wir ursprünglich noch besuchen wollten, viel damit für uns flach.
Erster Workshop-Tag
Nach einem reichlichen Frühstück im Hotel machten wir uns recht früh auf zur Spartakiade. Unser Hotel war glücklicherweise keine zwei Minuten Fußweg entfernt. Matthias wollte die Zeit nutzen, um in Ruhe seinen Workshop vorzubereiten. Mit einem Koffer voller LEGO rollten wir zunächst zum Check-In, der dank eines ausgeklügelten Self-Service-Systems für alle Teilnehmer schnell und reibungslos verlief. An der „Wall of Fame”, direkt hinter dem Eingang, hingen die Bilder aller Trainer. Da es mein erstes Event als Trainer war, fand ich den „Fame” cool, aber auch etwas gewöhnungsbedürftig. Matthias zog es direkt in seinen Workshop-Raum, das „Spielzimmer” genannt. In diesem Raum spielen die Mitarbeiter von Immobilien Scout sonst Kicker. Der Raumname konnte für die nächsten zwei Tage kaum passender sein.
Mich hingegen zog es direkt zur Kaffeemaschine. Ich hatte an diesem Tag nichts konkretes geplant, bis auf dass ich meinen Workshop für den nächsten Tag zu strukturieren und tieferes über LEGO Serios Play zu erfahren. Matthias hatte mir dafür ein Arbeitsheft von seinem damaligen Facilitator-Training überlassen. Außerdem hatte ich vor, mich vormittags in den ein oder anderen Workshop zu setzen, von denen es ja reichlich interessante gab.
Doch wie es immer so ist, kommt alles anders als gedacht. Denn als ich bei Matthias vorbeischaute, der fleißig mit dem Sortieren und Zurechtlegen seiner LEGO-Teile beschäftigt war, viel uns etwas auf. Wir hatten doch nicht, wie ursprünglich von uns beiden gedacht, ausreichend Steine für das LEGO Walking Skeleton Game dabei. Oder anders gesagt wäre doch recht viel Improvisation durch die Teilnehmer notwendig gewesen, um mit den vorhandenen Teilen wie vorgesehen ein Haus aus LEGO zu bauen. Kurzerhand rief ich einen neuen neuen Punkt auf meine Vormittags-Agenda: Einen Besuch beim LEGO Store Berlin.
Ich sage es gleich: Es gibt schlimmeres, als LEGO kaufen zu müssen. Und ist es dann noch ein offizieller LEGO Store: Um so besser. Nach einer halbstündigen Fahrt mit der U-Bahn erreichte ich meinen Zielort und betrat mit einer gewissen Vorfreude das LEGO-Paradies. Ich hatte leider nicht so viel Zeit, um mir alles anzusehen. Daher ging es einigermaßen Zielstrebig zu einem der in mehr als ausreichender Anzahl vorhandener Store-Mitarbeiter, die mich sehr engagiert beim Kauf berieten. So hatte ich schnell ein paar mehr oder weniger passende Pakete LEGO zusammen, die für den Folgetag ausreichen sollten. Bevor es zurück zur Spartakiade ging, brachte ich das LEGO ins Hotel, und bereitete es entsprechend für den nächsten Tag vor.
War dann noch mal shoppen für morgen☺️ #spartakiade pic.twitter.com/4OioQzzNjA
— Thorben Egberts (@thorbenegberts) March 18, 2017
Auf der Spartakiade wurde zwischenzeitig der Grill angemacht und es roch sehr gut, als ich das Gebäude betrat. Wie erwartet war alles super lecker. Satt und gut gelaunt machte ich mich darauf daran, meinen Workshop für den nächsten Tag vorzubereiten. Gut versteckt in einem der Rückzugsorte, die das Gebäude von Immobilien Scout bot und unterstützt durch reichlich Kekse, Kaffee Cola (leider keine Premium Cola) und was es sonst noch alles gab.
Die Zeit verging während der Vorbereitung wie im Flug, sodass ich dann doch gar keine Workshops mehr besucht habe. Gegen 18 Uhr begann die Party. Dort trafen Matthias und ich uns wieder. Er erzählte mir von seinem Workshop. Die Teilnehmer spielten die Situation, ein neu gebildetes Team zu sein, das sich im Laufe des Tages findet, indem es sich selbst und ihre Beziehungen untereinander mit LEGO „baut”. Etwas konkreter wurden diese Fragen beantwortet: Wer sind wir jeweils? Welchen Prinzipien und Werten wollen wir folgen und welchen nicht? Das alles symbolisiert durch LEGO-Modelle, als sicht- und anfassbare Metaphern. Hier kam es zu regen und teils kontroversen Diskussionen. Das Feedback zu Matthias Workshop war sehr gut, was sich auch in Gesprächen mit Teilnehmern am nächsten Tag noch einmal bestätigte.
Wir blieben leider nicht sehr lange auf der Party. Matthias musste am nächsten Morgen schon sehr früh seinen Flieger erreichen. Ich selbst war auch noch ziemlich erschöpft von den letzten Tagen, in denen ich nicht sehr viel Schlaf bekommen hatte. So ging es wieder zurück ins Hotel. Rückblickend eine gute Entscheidung, denn so war ich am nächsten Tag recht frisch für meinen eigenen Workshop.
Zweiter Workshop-Tag
Nach einem entspannten Frühstück und dem Check-Out im Hotel ging es rüber zur Spartakiade. Ich war nun ganz gut vorbereitet, alle Materialien waren vorhanden, die Agenda stand. Nach einem kurzen Zurechtlegen der Materialien und Facilitation-Tools und der Vorbereitung einiger Flipchart-Poster konnte es dann losgehen. Dem Beginn der Workshops ging noch eine energiespendende Morgen-Ansprache durch die Organisatoren voraus. Dann trudelten die Workshop-Teilnehmer im Raum ein, insgesamt zehn. Gute Gruppengröße. Nach der Check-In-Runde wurde klar: Trotz dem zu erwartenden Entwickler-Überschusses bestand die Gruppe aus Teilnehmern mit ganz unterschiedlichen Hintergründen und Persönlichkeiten.
Einführung LEGO Serious Play
Im Gegensatz zu Matthias bin ich selbst kein ausgebildeter LEGO Serious Play Facilitator. So musste ich auf die Theorie zurückgreifen, die ich mir bisher aneignen konnte, um dennoch eine gute Vertretung darzustellen. Es ging für die Teilnehmer nun darum, zu einer offenen Frage Metaphern aus LEGO zu bauen. Die Frage war: „Wie sieht für dich das perfekte Produkt aus?” Die zur Verfügung stehenden LEGO-Steine waren bewusst ausgewählt und relativ begrenzt. Durch diese Begrenzung erreichten die Teilnehmer schnell den Punkt, an dem sie ins abstrakte Denken wechseln mussten. Im Kopf entstanden Bilder und Metaphern. Diese verwandelten sich über die Hände in LEGO-Modelle, die die anderen Teilnehmer anschauen konnten. Die individuellen Vorstellungen kamen so aus den Köpfen der Teilnehmer heraus in die greifbare Realität. Die anderen Teilnehmer stellten jeweils klärende Fragen zu den Modellen. Ein gemeinsames Verständnis entwickelte sich. Es war faszinierend zu sehen, wie kreativ und ideenreich die Modelle waren, die durch die Hände der Teilnehmer entstanden. Weitere Spielarten von LEGO Serios Play sehen vor, diese Mechanismen für Teambuilding, Unternehmens- und Strategieentwicklung zu nutzen. Dies konnte in der Einführung jedoch nur erwähnt werden.
Darauf folgte die Mittagspause. Am Kopf der Warteschlange, die größtenteils im Regen von Berlin stand, gab es Burger aus dem Burger-Truck. Und wieder war es sehr lecker. Neben dem Essen gab es interessante, wenn auch nur kurze Gespräche mit einigen Workshop-Teilnehmern.
LEGO Minimum Viable Product (MVP) Game
Auf diese Weise gestärkt ging es über vom LEGO Serious Play zu den LEGO Agile Games. Das erste Spiel war das LEGO Minimum Viable Product (MVP) Game. Für ein MVP gibt es viele unterschiedliche Definitionen. Hier meine ich ein konkretes Produkt, das früh in die produktive Verwendung geht, um Klarheit über zuvor getroffene Annahmen (Produktplatzierung, Gestaltung, usw.) zu erhalten bzw. um Feedback für die weitere Produktentwicklung einzuholen.
Mit diesem Spiel näherten wir uns dem Konzepts des MVP aus zwei Richtungen: Zunächst ging es darum, ein Umfangreiches Modell schrittweise auf eine geringere Anzahl von Teilen zu reduzieren. Die Teilnehmer lernten hier „loszulassen”, was dem einen leichter, dem anderen schwerer fiel. Auch lernten sie, wann ein MVP nicht mehr „viable” ist und zu stark reduziert wurde, um noch am Markt überlebensfähig zu sein. Sich dieser Schwelle bewusst zu sein, ist bei der Entwicklung eines MVP essentiell wichtig.
MVP wer erkennt das Raumschiff ? #spartakiade pic.twitter.com/JdNlxZW8ST
— Freddy Porsch (@minfler) March 19, 2017
Darauf gingen wir das MVP von der anderen Seite an. Im Rahmen eines Szenarios mit sich häufig wechselnden Anforderungen bzw. Umgebungsvariablen bauten die Teilnehmer ihr Modell schrittweise wieder auf. Dabei wurde klar, dass es sich in so gearteten Umgebungen lohnt, kleinschrittig zu arbeiten, früh auszuliefern und das Modell in der realen Umgebung zu testen. Bei einer langlaufenden Entwicklungsphase wäre das Modell vielleicht schöner geworden. Aber es wäre nicht nur erst spät produktiv einsetzbar, sondern würde aufgrund der zwischenzeitig veränderten Umgebung nicht mehr das „richtige” Produkt und damit weitgehend wertlos sein. Dieses Vorgehen ist damit gut geeignet, um im roten Problembereich zu manövrieren.
(Hier folgt noch eine Verlinkung auf eine ausführliche Anleitung zu meiner Variante des LEGO Minimum Viable Product (MVP) Games)
LEGO Product Owner Challenge
Nach einer kurzen Verschnaufpause ging es direkt weiter mit der LEGO Product Owner Challenge. Ein Spiel, bei dem es vor allem um die Kommunikation von Anforderungen geht.
Wir bildeten zwei Gruppen: Entwickler und Product Owner. Diese fanden sich daraufhin in Zweiergruppen zusammen. Jeder Product Owner wählte sich nun ein LEGO-Modell aus, das darauf vom Entwickler exakt nach Anleitung gebaut werden sollte. Problem dabei: Der Entwickler hat keine Einsicht in die Anleitung, die auf der anderen Seite des Raumes liegt. Der Product Owner muss nun zwischen Entwickler und Anleitung hin und her pendeln. Dabei gibt er den Entwickler Anweisungen, welches Teil wo hin zu gehören hat, ohne die LEGO-Steine selbst berühren zu dürfen. Am Ende der Bauphase kontrollierten wir, ob die Modelle Abweichungen von der Anleitung besitzen.
Wie erkläre ich jemandem am besten, was ich gebaut haben möchte - und selbst nicht bauen darf? #LEGO #spartakiade pic.twitter.com/U8yJL23J9H
— Thorben Egberts (@thorbenegberts) March 19, 2017
Zu Beginn der zweiten Bauphase erklärte ich den Teilnehmern das Konzept und Aufbau von User Stories. Daraufhin hatten die Product Owner ein paar Minuten Zeit, das vorher nach Anleitung gebaute Modell in eine oder mehr User Stories zu übersetzen. Dabei hatten sie den Freiraum, ihre eigenen Vorstellungen zum zu bauenden Modell einfließen zu lassen.
Nun vermittelte der jeweilige Product Owner dem Entwickler seine User Stories. Der Entwickler begann darauf, diese Vorstellung in ein LEGO-Modell zu übersetzen. Parallel dazu gab der Product Owner immer wieder Feedback zur Gestaltung und Funktionsweise des Modells. Es war spannend zu sehen, wie die Modelle entstanden. Product Owner und Entwickler führten Gespräche über die User Stories. So veränderten sich die ursprünglichen Vorstellungen des Product Owners während der Bauphase und Ideen befruchteten sich gegenseitig. Das kam der Qualität der Modelle zugute, die Ergebnisse waren toll.
Ein #LEGO Sportwagen entsteht anhand von User Stories, getrieben von Feedback, ganz ohne Anleitung #spartakiade pic.twitter.com/Yo6i6Ll51s
— Thorben Egberts (@thorbenegberts) March 19, 2017
In einer Reflexionsrunde besprachen wir die Unterschiede, die sich im Bauen nach Anweisung und Kontrolle in der ersten Bauphase und dem Bauen mit Vertrauen und Feedback in der zweiten Bauphase ergaben. Hier kam zum Ausdruck, dass die zweite Bauphase entspannter und produktiver war und zudem mehr Spaß gemacht hat. Für den Product Owner ergaben sich Freiräume, über sein Produkt nachzudenken, weil er nicht mehr mit dem Micromanagement des Entwicklers beschäftigt war. Der Entwickler auf der anderen Seite konnte sein Können beweisen und fühlte sich wertgeschätzt, weil seine Ideen vom Product Owner aufgenommen und gemeinsam weiterentwickelt wurden. Eine Win-Win-Situation!
(Hier verlinke ich demnächst noch eine ausführlichere Anleitung zu meiner Variante der LEGO Product Owner Challenge)
LEGO Walking Skeleton Game
Eine kurze Pause später ging es zum letzten Agile Game des Tages: Dem LEGO Walking Skeleton Game. Das Spiel wurde ursprünglich von Matthias und Patrick Koglin für den Agile Building Day 2016 in Kassel entwickelt. Das Spiel ist besonders für Softwareentwickler interessant, aber auch allgemein für jeden, der mit Produktentwicklung zu tun hat.
Wir bildeten zwei Teams von fünf Personen, die nun jeweils ein eigenes Haus aus LEGO bauen sollten. Ich als Trainer übernahm dabei zwei Rollen: Die des Auftragnehmers bzw. Projektleiters, der die Teams beschäftigt. Er ist teilweise Übersetzer des Kunden für das Team, folgt aber auch seinen eigenen (wirtschaftlichen oder „politischen”) Interessen und ist dem Team gegenüber weisungsbefugt. Die zweite Rolle ist die des Kunden. Der Kunde taucht immer wieder auf, um den Teams seine Vorstellungen von seinem Haus zu vermitteln. Dabei äußert er sich gern unspezifisch oder widersprüchlich und tritt mit plötzlichen Sonder- oder Änderungswünschen an das Team. Gleichzeitig sind die Aussagen von Auftraggeber und Kunden nicht konsistent bzw. folgen scheinbar unterschiedlichen Interessen.
In der ersten Hälfte des Spiels lief alles ungeordnet und chaotisch. Die Bauphase begann unerwartet. Der Teamleiter erklärte kurz die Projektsituation. Der Kunde erschien und vermittelte dem Team das, was er sich unter seinem zukünftigen Haus vorstellte. Dabei verstrickte er sich in Details, ohne Hinweise auf das große Ganze zu geben. Genau so schnell wie er erschien, war er auch wieder verschwunden. Zwischendurch tauchen Auftragnehmer und Kunde immer wieder auf, um auf das Team einzuwirken. Die Atmosphäre wirkte schon bald gestresst und angespannt. Um es auf die Spitze zu treiben, erhielten einzelne Teammitglieder Sonderaufgaben oder wurden unter Vorwänden mit Mitglieder des anderen Teams vertauscht.
Aufgrund von Zeitmangel konnten wir das Spiel leider nicht in voller Tiefe ausspielen. So endete die Bauphase nach 30 Minuten mit der Abnahme durch den Kunden. Das Ergebnis war (wie ich ein wenig erhofft hatte) für beide Teams kein gutes. Teile des Hauses waren offen (Mauern bzw. Dach fehlte), Zimmer halb fertig oder durch Änderungswünsche mitten in einer Umbauphase. Diese Ruine war alles andere als durch den Kunden beziehbar. Entsprechend enttäuscht und schlecht gelaunt war der Kunde. Der Auftragnehmer war ebenfalls unzufrieden mit Ergebnis und dem Team. Manche Teilnehmer fühlten sich hier an Projekte erinnert, die in ihrer Erinnerung ganz ähnlich verlaufen sind. Diese Situation war insgesamt überspitzt gestatltet, um einen besseren Kontrast zur zweiten Bauphase herzustellen und die Lernpunkte zu verdeutlichen.
Zu Beginn der zweiten Hälfte hielt ich einen kurzen Impulsvortrag zum Konzept des Walking Skeletons von Alistair Cockburn. Es beschreibt ein Vorgehen für eine sich parallel zum Projektverlauf entwickelnde Software-Architektur. Dabei werden kleine Teile von Funktionalität durch alle Schichten (Benutzeroberfläche, Business Logik, Datenbank usw.) des Systems entwickelt. Diese Teile können nun „End-to-End” unter realen Bedingungen getestet und, wenn erwünscht, bereits vom Anwender benutzt werden. Bildlich gesehen kann das „Skelett” bereits laufen und erhält mit der Zeit Fleisch und Muskeln dazu. An dieser Stelle ließ sich der Bogen zurück zum LEGO Minimum Viable Product (MVP) Game von vorher schlagen.
Diese Vorgehensweise des Walking Skeleton wird von sinnvollen Standards bzw. klar definierten Schnittstellen und Modularität begünstigt. Gleichzeitig entsteht (automatisiert) testbarer Code und eine elegante, leicht änderbare Architektur. So lässt sich leichter und schneller auf sich ändernde Anforderungen reagieren.
Aus diesem Konzept abgeleitet lieferte ich den Teilnehmern Vorschläge, mit denen sich das Haus ebenfalls kleinschrittig und modular bauen lässt, beispielsweise indem sich das Team sich auf eine einheitliche Mauerhöhe einigt, Standard-Elemente vorfertigt und sich auf den Bau gleich großer Zimmer-Module einigt, die untereinander ausgetauscht werden können.
Mit diesen Informationen beginnt eine zweite Bauphase. Aufgrund des Zeitmangels erklärte nun geänderte Vorgehen während der Projektphase: Die Bauphase war ab jetzt in Iterationen von 10 Minuten unterteilt, mit einer anschließenden zweiminütigen Produkt-Review durch den Kunden. Der Kunde tauchte nicht mehr während der Bauphase auf, sondern gab sein Feedback in der Review. Der Auftragnehmer wechselte in ein Verhalten ähnlich eines Scrum Masters und stellte sicher, dass das Team alles hat, was es benötigt, gab Ratschläge und ließ das Team ansonsten einfach nur möglichst störungsfrei bauen. Wie sich herausstellte, hatten manche Teilnehmer hier ein kleines Flow-Erlebnis.
Aber auch in dieser zweiten Bauphase gab es Momente, in denen sich das Team an neue Gegebenheiten anpassen musste. Beispielsweise musste Teilnehmer den Workshop frühzeitig verlassen und fehlte plötzlich. Darauf habe ich den Workshop-Raum verlassen und auf dem Flur eine Teilnehmerin als Ersatz gefunden, die sich netterweise dazu bereit erklärte, dem Team auszuhelfen. Das neue Teammitglied musste jedoch vom Team eingearbeitet werden und brachte gleichzeitig ein wenig Chaos ins Geschehen. Dank seiner selbst definierten, dem neuen Teammitglied einfach zu erklärbaren Standards konnte das Team dies jedoch besser abfangen als es bei Veränderungen in der ersten Bauphase der Fall war.
Am Ende jeder Iteration waren nun neue Teile des Hauses tatsächlich fertig und für den Kunden bezugsbereit. Änderungswünsche konnten leichter realisiert werden. Sogar ganze Räume konnten im Stockwerk wechseln, ohne größere Auswirkungen auf andere Teile des Hauses zu haben.
In einer nun folgenden Reflexion verglichen wir die beiden Bauphasen miteinander und fanden Parallelen zur Softwareentwicklung und agilen Vorgehensweisen, welche wir noch in gewisser Tiefe besprechen konnten. Eine ausführliche Anleitung findet sich in Patricks Blog.
Dann war er leider schon vorbei, der zweite Workshop-Tag. Und damit auch die gesamte Spartakiade. Nach dem hastigen Zusammenräumen und einem kurzen Sprint mit einem riesigen Koffer voller LEGO zum Ostbahnhof von Berlin setzte ich mich wohlig erschöpft in den ICE nach Kassel.
Fazit
Das Teilnehmer-Feedback zum Workshop war insgesamt gesehen positiv, aber (wie ausdrücklich gefordert) auch kritisch-konstruktiv. Für mich war es ein gutes Training, auch wenn die Gruppe sehr handzahm und gut zu handeln war.
Mit etwa sechs bis sieben Stunden reiner Workshop-Zeit war es mein bisher längster Workshop. Trotz dieser Länge war die Zeit für die Einführung zum Thema LEGO Serious Play und die drei Agile Games zu knapp bemessen. Das LEGO Walking Skeleton Game konnten wir nicht in der eigentlich notwendigen Länge ausspielen, auch wenn die Kernpunkte trotz Kürzungen und Improvisation transportiert worden sind.
Die Kombination von LEGO Serious Play und Agile Games war nicht für jeden Teilnehmer nachvollziehbar und sorgte für etwas Verwirrung. Auch wenn es beides mit LEGO zu tun hat – der Ansatz ist doch sehr unterschiedlich. Bei dem einen geht es um das Bauen von Metaphern und das gemeinsame Verständnis. Beim anderen geht es eher um das spielerische Vermitteln von Konzepten bzw. die Festigung einer Haltung, die auf agilen Werten und Prinzipien beruht. Manche hätten gern mehr von LEGO Serious Play erfahren und wären beim Workshop von Matthias am Vortag besser aufgehoben gewesen. Auch hätte ich selbst eine klarere Trennlinie zwischen den beiden Teilen ziehen müssen.
Dies und der zeitliche Aspekt lassen mich zur Entscheidung kommen, bei einer möglichen Wiederholung auf den Teil mit LEGO Serious Play zu verzichten. Statt dessen sollte dem Thema LEGO Serious Play ein ganzer Workshop-Tag gewidmet werden, wie ihn Matthias am Vortag angeboten hat.
Außerdem überlege ich ernsthaft, jetzt wo ich mich noch intensiver mit LEGO Serious Play beschäftigt habe, das Training zum LEGO Serious Play Facilitator zu machen. Ich habe nun noch mehr gemerkt, wie mächtig und lösungsorientiert dieses Werkzeug sein kann und dass ich es selbst sehr gut einsetzen könnte, um Personen, Teams und das Unternehmen in dem ich Arbeite auf der Lösungsfindung zu unterstützen.
Gesamt gesehen fand ich das Event sehr gelungen. Wie schon erwähnt: Tolle Location, gutes Essen, interessante und nette Menschen, große Vielfalt von Workshops. Ich würde es wieder machen. An dieser Stelle auch noch einmal vielen Dank an die Organisatoren, die Teilnehmer meines Workshops und Matthias, der an mich als Vertretung gedacht hat!
Hier finden sich Eindrücke vom Event: https://goo.gl/photos/dnweEcXo9BY8KPUH6. Um das Album mit den personenbezogenen Bildern erhalten möchte, schreibt mir bitte eine Privatnachricht bei Xing, LinkedIn oder Twitter.
Weitere Eindrücke findet ihr unter dem Hashtag #spartakiade
PS: Torsten und Gregor veranstalten im Oktober im 10 Jahr in Folge den Developer Open Space in Leipzig.